Weihnachten, was ist das?
Ich erinnere mich noch sehr gut an ein Weihnachtsfest aus meiner Kindheit. Wir alle, das heißt meine Urgroßmütter, Großeltern, Eltern und wir Kinder saßen im Wohnzimmer der 3 1/2 – Zimmerwohnung meiner Eltern und packten Geschenke aus. Im Hintergrund sang der Kinderchor, gepresst auf Vinyl, „Leise rieselt der Schnee“. Ich sah unbewusst aus dem Fenster. Da draußen herrschte nur wieder das übliche Weihnachtsschmuddelwetter und ich wünschte mir im Stillen, dass es bei uns genauso aussehen würde, wie auf den Winterpostkarten, die meine Tante uns immer aus ihrem Skiurlaub aus Bayern schickte. Ich seufzte leise, dann packte ich mein erstes Paket aus. Das Christkind hatte sich in diesem Jahr wirklich angestrengt. Ich bekam eine E-Gitarre, mit samt eines Verstärkers. Freudestrahlend steckte ich den Stecker in die Steckdose und schaltete den Verstärker ein. Ein ohrenbetäubendes Fiepen ertönte.
„Ela, kannst du das nicht morgen ausprobieren? Oder wenigstens leiser? Die Nachbarn finden es bestimmt nicht so toll, wenn du das ganze Haus beschallst!“ Ich nickte, betätigte erneut den Schalter und wandte mich dann meinem zweiten Geschenk zu. Eine echtlederne Schultasche! Es folgten noch diverse Kleidungsstücke, Krimskrams und ein paar neue Stiefel. Auch meine Schwester musste ziemlich brav gewesen sein, obwohl ich da ganz anderer Meinung war, denn auch sie saß mittlerweile in einem riesigen Berg von Geschenkpapier. Nach der Bescherung setzten wir uns alle um den Tisch. Die Erwachsenen tranken ein Glas Sekt und wir bekamen Saft. Ich ließ mich neben meiner Oma nieder und kuschelte mich an sie.
„Oma, wie war denn bei euch so Weihnachten? Hat dir das Christkind auch immer das gebracht, was du dir gewünscht hast?“ Meine Oma sah kurz zu ihrer Mutter herüber, dann erzählte sie:
„Bei uns war alles noch ein wenig anders. Wir hatten immer einen viel kleineren Baum, der mit echten Kerzen und Strohsternen, die wir selbst gebastelt haben, geschmückt war. Richtige Kugeln hatten wir nur ein Paar, denn sie waren damals noch mundgeblasen und kosteten sehr viel Geld. Anstatt des gekauften Lamettas haben wir Stanniolpapier zerschnitten.“ Ich sah sie fragend an.
„Stanniolpapier war so etwas Ähnliches, wie heute die Alufolie“, erklärte sie mir dann. Ich nickte verstehend.
„Wir haben Weihnachtslieder gesungen und anschließend unsere Geschenke ausgepackt. Ich bekam immer ein neues Kleid und passend dazu ein Kleid für meine Puppe. Oma Tille hat sie selbst genäht und ich war jedes Mal mächtig stolz darauf. Richtig gewünscht haben wir uns eigentlich nie etwas und wenn dann nur etwas sehr Kleines.“ Dann sah ich meine Mutter an.
„Bei mir war es ähnlich. Heiligabend kam die ganze Familie. Die Brüder von deinem Opa haben alle ihre Instrumente hervorgeholt und zusammen Weihnachtslieder gespielt. Wir Kinder haben dazu gesungen. Dann durften wir die Geschenke auspacken. Ich bekam neue Kleider, eine Puppe einen Roller und Süßigkeiten. Aber immer das, was ich mir gewünscht hatte, allerdings nur ein einziges Teil.“ Wieder nickte ich. Wenn ich nun auf meine Gaben sah, dann bekam ich wirklich und wahrhaftig ein schlechtes Gewissen. Ich war ja bereits in dem Alter, in dem man nicht mehr an das Christkind glaubt und weiß, wer in Wirklichkeit die Geschenke bringt, deshalb wurde ich etwas verlegen. Ich hatte alles, aber auch wirklich alles von meiner Wunschliste bekommen.
Ich frage mich, wie meine Enkel oder Urenkel einmal reagieren, wenn sie mir in gar nicht so ferner Zukunft dieselbe Frage stellen werden und ich ihnen von unseren Weihnachtsfesten erzähle. Werden sie dann auch verlegen, oder bemitleiden sie mich dann?
In diesem Sinne